II. Forschungen über historische matriarchale Gesellschaften (Frühgeschichte)

Die aus der anthropologisch-ethnologischen Forschung gewonnene, neue Definition von „Matriarchat“ kann als wissenschaftliches Werkzeug auf die Kulturgeschichte angewendet werden, hier auf die Geschichte der Kulturgebiete Westasien und Europa. Sie wird mitsamt dem detaillierten Wissen über die matriarchale Gesellschaftsform mit den archäologischen Funden verglichen, ob diese dadurch nicht mehr oder anderes aussagen könnten als bisher angenommen, was zu einer Änderung der Perspektive und der  Interpretationen führt. Denn wenn man keine andere Gesellschaftsform als die patriarchale kennt, wird es immer wieder zu unbewussten oder auch bewussten Rückprojektionen von patriarchalen Mustern auf die Kulturgeschichte kommen, eine Situation, die von der modernen Matriarchatsforschung kritisiert und revidiert wird.
In der neueren Archäologie werden durchaus gelegentlich Erkenntnisse aus der Ethnologie einbezogen, um frühgeschichtliche Muster besser zu verstehen. Jedoch ist die Auswahl beliebig und willkürlich, so dass auch patriarchalisierte, indigene Gesellschaften betrachtet werden, um Erscheinungen begreiflich zu machen, die sich auf diese Weise aber nicht begreifen lassen. In den folgenden Abschnitten werden  ausschließlich ältere und jüngere Forschungen genannt, die zur matriarchalen Kulturgeschichte beitragen, auch wenn sie den Begriff und die neue Definition von Matriarchat nicht gebrauchen, ebenso kritische Stimmen von Archäolog/innen zu ihrem eigenen Fachgebiet. Sie sind für die Weiterentwicklung der modernen Matriarchatstheorie und -forschung relevant und werden in diese einbezogen. Gleichzeitig geht es bei dieser anderen Perspektive auf die Kulturgeschichte auch um die Beantwortung der Frage nach der Entstehung und Ausbreitung des Patriarchats und die Gründe dafür, die in jedem Kulturgebiet von anderer Art sind.